Über Yoga

Im traditionellen Yoga - man könnte ihn von ca. 10.000 v.Chr. bis etwa ins Mittelalter datieren – dienten alle yogischen Techniken wie Meditationen, Mantrarezitationen oder Atemtechiken dazu, aus dem Körper zu entschwinden und sich wieder in einer körperfreien kosmischen Heimat zu gründen. Die Aussage aus den Upanishaden „Tat tvam asi – das bist du“ drückt dies in elementarer Weise aus. Der alte Yogi zeigte, wenn er „ Tat tvam asi“ sagte, nicht auf den Körper, sondern auf den Himmel und drückte damit aus: Dort im Himmel, dort wo sich deine Seele ungebunden und frei von aller irdischen Mühsal bewegt, da ist deine wahre Heimat, das bist du.

 

Zu späterer Zeit, etwa 200 v. Chr., als Patanjali den Raja-Yoga, den achtstufigen königlichen Pfad des Yoga niederschrieb wurden die asanas, die Körperübungen des Yoga, erstmals fester Bestandteil eines Yogaweges. Die asanas dienten in dieser Zeit zur Vorbereitung auf die Meditation. Sie wurden zur physischen und psychischen Reinigung eingesetzt, so dass der Mensch zur  Meditation und darauf basierend  ins „samadhi“ in die kosmische Heimat eingehen konnte. Der suchende Mensch erlebte in dieser Zeit, dass er sich mehr und mehr mit seiner Körperlichkeit identifizierte, umso mehr wünschte er sich Übungen, die ihn daraus befreien konnten.

 

Heute möchte man mit dem Praktizieren der Yogaübungen hauptsächlich Gesundheit und Entspannung finden und damit ein besseres Wohlbefinden im Körper entwickeln. Kurz gefasst könnte man sagen: Im alten Yoga waren die Übungen auf eine kosmische Mitte zentriert, im modernen Yoga sind die Übungen tendenziell auf eine körperliche Mitte ausgerichtet.

 

Beide Umgangsformen, jene des Entschwindens aus der Welt und ihren Anforderungen, aber auch die Praxis in der der Körper das Zentrum und den Zielpunkt bildet, stellen kein zufriedenstellendes zeitgemäßes Ideal dar, um eine ausgeglichene Einheit von Körper, Seele und Geist zu entwickeln.

 

Der neue Yogawille möchte zu diesen beiden Polen eine neue „Mitte“ eröffnen. Zum einen wird durch die Übungspraxis, die auf der künstlerischen Umsetzung von geistigen und seelischen Inhalten aufbaut, ein kosmisch-freies Empfinden angeregt. Gleichzeitig wird aber auch der Körper ergriffen und durchgeformt. Auf dieser Grundlage entsteht eine den Körper und die Gesundheit, wie auch die  seelischen Werte fördernde Übungspraxis.

 

Der Mensch entschwindet nicht in ein anderes Bewusstsein, sondern formt diese neue „Mitte“ indem er geistige Ideale wahrnimmt, diese studiert, sie nach und nach durchdringt bis in die Übungspraxis, in die Arbeit, in die Familie und in das ganze soziale Leben umsetzt. 

 

Ein neues Bild des Menschen eröffnet sich:  Der Mensch, der in der Welt lebt und arbeitet, jedoch die Ideale einer geistigen Welt auf der Erde verwirklicht.

 

Quellen: 

Tat Tvam Asi: Wikipedia; Yogawiki; Heinz Grill, die Seelendimension des Yoga S.20 -21

Über den traditionellen Yoga und die Vedanta-Zeit: Heinz Grill, Initiatorische Schulung in Arco, Die Herzmittelstellung und die Standposition im Leben S. 25-30