Der Neue Yogawille

"Aspekte eines "Neuen Yogawillen"

Der "Neue Yogawille" ist keine neu Stilrichtung, sondern eine grundlegend neue Herangehensweise an Yoga. Der Begriff "Neuer Yogawillen" wurde von Rudolf Steiner geprägt, jedoch seinerzeit von ihm nicht als Übungsweg mit Yogaübungen ausgestaltet. Heinz Grill hat den Begriff aufgegriffen, aus einer geistigen Sichtweise neu durchdrungen, in eine "neue Yogaempfindung" erweitert und etliche Ideen zur Umsetzung geschaffen.

 

Grundsätzlich handelt es  sich um einen integralen Yoga, d.h. dass man mit Yoga und seinen Übungen nicht in eine andere, entspannte, schöne Welt eintaucht, sondern integral bedeutet, dass der Übende einen wohlerwogenen Inhalt aus der geistigen Welt erfasst und diesen in der irdischen Welt zum Ausdruck und zur Umsetzung bringt.

 

Das kann auf künstlerische Weise sein, z.B. legt man einer Yogaübung einen geistigen Gedanken zu Grunde, denkt und erlebt ihn während der Ausführung und drückt diesen als ausstrahlenden Ausdruck in der Übung aus. Der Gedanke lebt auf künstlerische Weise in der Übung.

 

 

 

 

 

 

 

 

In sirsasana wurde der Gedanke der "vertikalen Linie" gedacht und drückt sich aus. Die Vertikalität ist die Himmelsdimension, während sich in der Horizontalität das allgemeine soziale Leben abspielt.


Philosophisch veranlagte Menschen können den Weg auch mit philosophischen Noten ausgestalten. Beispielsweise möchte man nicht primär einen Frieden für sich selbst durch die Yogapraxis finden, sondern man geht der Frage nach, wie durch Yoga und Yogaübungen die allgemeine Beziehungsfähigkeit, Friedfertigkeit und Verbindungsfähigkeit im einzelnen Menschen als grundlegende Qualität erkraften und damit mehr Frieden auf der Welt etabliert werden kann.


Rudolf Steiner führte den Begriff "Neuer Yogawillen" in seinem Vortrag "Die neue Yoga-Kultur und der neue Yoga-Willen" vom 30.11.1919 erstmals ein.[1] Er beschreibt darin, dass sich das Verhältnis der geistigen zur irdischen Welt über die Jahrtausende verändert hat. Vor ca. 8000 Jahren erlebte sich der Mensch noch intensiv verbunden mit der seelischen und geistigen Welt. Er nahm mehr grundlegende seelische Qualitäten wahr, weniger die physische Erscheinung des Menschen. Desweitern beschreibt er, dass die Luft früher "beseelt" war, d.h. der Mensch erlebte im Atemprozess seelische Empfindungen. Dies hat sich verändert. Heute lebt die Seele im Licht. D.h. der geistige, universale Sinngehalt einer Sache kann demnach heute nicht mehr über einen Atemprozess empfunden und errungen werden, sondern über einen Sinnesprozess.

 

 

Hierzu schaut man längere Zeit mit Ruhe, Konzentration und einer Fragestellung oder einem wegweisenden Gedanken auf ein Objekt, lässt alle vorschnellen Assoziationen beiseite und wartet, was sich aus dem Objekt heraus offenbart, was dem Betrachter entgegenkommt. Was liegt als geistiger Urgrund der Sache inne? Was interpretiert der Betrachter hinein? Letzteres soll zurückweichen, ersteres soll sich Aussprechen. Der Betrachter gewinnt über dies hochaktive Beobachtung eine "Nähe" zum Objekt und einer erste, seelische, universale Empfindung. Gelingt dies gut, kommt man in eine innere, tiefe Berührung mit dem seelisch-geistig Sinn. Die hier beschriebene Aktivität braucht jedoch einige Übung, Erfahrung und auch gute Begleitung und Korrektur, damit sie objektiv und konstruktiv bleibt. [2]

 

Als grundsätzlichen Aspekt eines neuen Yogawillen kann man also die Bezugskraft nach außen,  nicht eine Versenkung nach innen in ein subjektiv geprägtes Innenleben konstatieren.

 

Versenkung nach Innen       

Bezugskraft nach außen, zum Sinn der Übung


Bildhaft kann man von einem Weg von oben nach unten, vom hergestellten Bezug zu einem Gedanken bis zur Ausgestaltung und sichtbaren Ausdruck im Objekt sprechen.
In einem traditionellen Yoga geht man von einer Wegrichtung von unten nach oben aus. Mittels Übungen und Meditation findet man zunehmend nach oben in eine geistige Welt. Geht man alle Stufen korrekt durch, von yama, niyama, asana, über pranayama, pratyahara, dhyana, dharana, erreicht man schließlich "samadhi", das Überbewusstsein.

 

[1] zu finden in den Büchern "Wege der Übung" und "Die Sendung Michaels" aus dem Rudolf Steiner Gesamtwerk
[2] Zu Empfehlen ist hierfür das Buch "Übungen für die Seele" von Heinz Grill